Jahreskonferenz 2023

Data Sharing – Datenkapitalismus by Default?

Das Teilen von Daten (Data Sharing) ist notwendiger Bestandteil jeder Gesellschaft. Es ist die Grundlage gemeinsamer Kommunikation und Aktion. Allerdings werden Nutzer:innen auch aufgrund wirtschaftlicher Interessen der großen Plattformen, auf denen ein Großteil dieser Kommunikation stattfindet, zum (Over-)Sharing verleitet. Auch zahlreiche (wirtschafts-) politische Initiativen (bspw. GAIA-X, Mobility Data Space, European Health Data Space) beziehen sich auf Data Sharing. Das Teilen von Daten in diesem Kontext ist mit wirtschaftlichen Interessen verbunden und soll gleichzeitig Werte für das Gemeinwohl hervorbringen. Es gibt aber auch Ansätze, die es über dezentrale Architekturen und Gemeinschaften, Nutzer:innen, die diese Daten größtenteils produzieren, ermöglichen sollen, selbstbestimmt ihre Daten zu teilen. Allerdings werden die geteilten Daten heute meist von zentralisierten Plattformen beherrscht, die von großen, internationalen Branchenakteuren kontrolliert werden, statt über dezentrale Architekturen und Gemeinschaften, die diese Daten größtenteils produzieren. „Sharing“ bedeutet in diesem Kontext dann zumeist das Zur- Verfügung-Stellen von Nutzungsdaten, mit denen die großen Branchenakteure in der Folge exklusiv arbeiten können.

In jüngster Zeit hat die europäische Politik damit begonnen, mit einem rechtlichen Rahmen das Teilen von Daten zu forcieren. Dieser Rahmen ermöglicht Konzepte zur Verpflichtung öffentlicher Stellen für Open Data, zur Hervorbringung von Daten-Märkten mit Hilfe von Datenmittlern und zu altruistischen Datenspenden mit Hilfe von Datentreuhändern. Es entstehen neue Instrumente, die Sharing-Ansprüche anderer Marktteilnehmer, der Nutzer:innen oder von Forschenden umfassen. Im Zentrum der Regulierungsbemühungen stehen bereits verabschiedete Regulierungen wie der Data Governance Act und Regulierungsvorhaben wie der Data Act oder die Verordnung zur Schaffung eines europäischen Raums für Gesundheitsdaten. Auch auf deutscher Ebene soll das Teilen von Daten weiter befördert werden durch ein Forschungsdatengesetz und ein Gesundheitsdatennutzungsgesetz.

Einerseits haben die regulatorischen Bemühungen das Ziel, öffentliche Daten leichter zugänglich zu machen und den Datenaustausch zwischen Wirtschaft, Medien, öffentlichen Stellen, Bürger:innen und Forschung anzuregen. Andererseits sollen insbesondere Hersteller und Dateninhaber dazu verpflichtet werden, Daten aus vernetzten Geräten (wie Maschinen, Haushaltsgeräten oder Fahrzeugen) zu teilen. Auf diese Weise sollen Daten, die ansonsten zentral insbesondere bei einzelnen Unternehmen lägen, über Datentreuhänder und Datenräume einem möglichst breiten Nutzer:innenkreis (Verbraucher:innen wie auch der Wirtschaft, der Forschung und dem Journalismus) zugänglich gemacht werden, um datenbasierte Innovationen zu ermöglichen und das Gemeinwohl zu stärken. Noch ist aber unklar, was die angestrebte Nutzbarmachung von Daten tatsächlich für Folgen haben wird, welche Möglichkeiten sie bietet und welche Hindernisse beteiligte Akteure und Sektoren überwinden müssen, um Potenziale zu heben. Zu wenig diskutiert wird die Frage, wie die Sozialpflichtigkeit der größten Datensammlungen, die bei den großen Plattformanbietern bestehen, für das Gemeinwohl aktualisiert werden sollte.

Mit der Tagung wollen wir dazu beitragen, dass das Teilen von Daten und deren Nutzbarmachung auf sichere und gerechte Weise erfolgt, so dass berechtigte Informations- und Nutzungsinteressen einerseits unterstützt und andererseits die Privatheit und andere Rechte derjenigen geschützt werden, die ihre Daten teilen wollen, aber auch derjenigen, die dies nicht können oder nicht wollen. Schon heute lassen sich Möglichkeiten eruieren, um eine gerechte Verteilung der Vorteile – und Nebenwirkungen – des Datenteilens in einer globalisierten Welt zu ermöglichen.


Folien, Graphic Recording und Videoaufzeichnung

Hier finden Sie die Folien und Videoaufzeichnungen der Vortragenden, sowie das Graphic Recording von Magdalena Vollmer – Illustration für Kommunikation zu jedem einzelnen Vortrag.

Donnerstag, 5.10.2023

Eröffnung und Begrüßung
Parl. Staatssekretär Mario Brandenburg (BMBF),
Miriam Janke, Barbara Ferrarese

Keynote #1:
Praktische Konkordanz und Kohärenz von Individualrechten und öffentlichem Interesse im EU Recht der persönlichen Daten
Paul Nemitz (Europäische Kommission, GD Justiz und Verbraucherschutz)

Panel #1 zum Thema „Datenintermediäre"
Moderation: Miriam Janke und Gerrit Hornung
Hanna Püschel und Leona Lassak
Paul Johannes
Bernd Rauch und Denis Feth

Paper Session #1
Human Centered Privacy Design: Designing an Interactive Privacy Visualization with the FOSS Community
Antonios Hazim

Paper Session #1
Transparenter Datenautonomie Meta-Assistent: informationelle Selbstbestimmung im Smart Home
Alexander Orlowski, Christopher Ruff und Andrea Horch

Paper Session #1
Werteorientierte partizipative Methoden zur Unterstützung von Bürger:innen bei der Wahrnehmung ihrer Datensouveränität
Peter Sörries, David Leimstädtner und Claudia Müller-Birn

Paper Session #2
Can fines for illegal data operations finance legal data sharing in the public interest?
Achim Klabunde

Paper Session #2
Anonymisierung - Der Heilige Gral?
Jan Hintz, Yamini Sinha und Ingo Siegert

Paper Session #2
Psychologische, ökonomische und technische Aspekte der Datenportabilität: Erkenntnisse aus einem interdisziplinären Forschungsprojekt
Jens Grossklags, Emmanuel Syrmoudis, Johann Kranz, Sophie Kübler-Wachendorff, Stefan Mager, Susanne Mayr und Robert Luzsa

Paper Session #3
Europäische KI-Regulierung: Auf der Suche nach nachhaltigen und inklusiven Ansätzen für gemeinsame IT-Welten
Marco Wedel, Antonios Hazim und Alexandra Wudel

Paper Session #3
Technische Möglichkeiten zur vereinfachten Ausübung von Betroffenenrechten
Fabiola Böning und Uwe Laufs

Paper Session #4
Fairness by Default? Die Rolle von Datentreuhändern am Beispiel von Journalismus-Plattformen
Simon Engert, Jonathan Kropf und Markus Uhlmann

Paper Session #4
Öffentliche Verwaltung als Katalysator für selbstbestimmtes Datenteilen: Digitale Nachweise auf Basis von Registerdaten
Gunnar Hempel, Daniel Richter und Michael Kubach

Keynote #2:
Europäische Suche? Vom Datenkapitalismus zur Suchmaschinen-Diversität
Astrid Mager (Österreichische Akademie der Wissenschaften)

Abschluss Tag 1
Moderation: Miriam Janke und Barbara Ferrarese

Science Slam
"Neulich im Neuland"
Frank Ebbers

Freitag, 6.10.2023

Begrüßung
Moderation: Miriam Janke und Barbara Ferrarese

Keynote #3:
The winner takes it all? - Selbstbestimmung und Fairness beim Teilen von Daten
Ulrich Kelber (Bundesbeauftragter für den Datenschutz und die Informationsfreiheit

Panel #2 zum Thema „Datenräume"
Moderation: Miriam Janke und Andreas Baur
Abel Reiberg and Crispin Niebel
Oliver Vettermann
Stefanie Fuchsloch

Paper Session #5
Sharing von Gesundheits(falsch)informationen: Erste Ergebnisse einer Studie mit Selbstauskünften und Umfragen
Juliane Stiller und Violeta Trkulja

Paper Session #5
Digitale Instrumente in kommenden Pandemien: Lehren aus der Corona-Warn-App
Henrik Graßhoff und Stefan Schiffner

Paper Session #5
Ein partizipativer Consent-Ansatz zur Gesundheitsdatennutzung - Ergebnisse einer Pilotumfrage mit Ärzt:innen
Stefanie Brückner und Stephen Gilbert

Paper Session #6
Die neue Ära des Datenhandels: Daten als Währung und Gegenleistung
Dagmar Gesmann-Nuissl und Stefanie Meyer

Paper Session #6
Adaption des Datenkapitalismus im Alltag: Der Umgang mit Privatheitsansprüchen bei der Nutzung von Sprachassistenten
Lukas Schmitz

Paper Session #6
Daten Fair teilen mit Differential Privacy: Die Möglichkeiten von Datenschutzgarantien für die Gesellschaft nutzbar machen
Daniel Franzen und Claudia Müller-Birn

Abschlussdiskussion
Moderation: Miriam Janke und Marit Hansen
Ulrich Kelber (BfDI), Astrid Mager (ÖÄW) und Christian Busse (Nationale Forschungsdateninfrastruktur e.V., DKFZ)


Programm

Das Programmheft zum Download finden Sie hier.

Poster an beiden Tagen

  • Daniela Fuchs und Margit Hofer: Responsible Research and Innovation und die Utopie des gemeinnützigen Datenteilens
  • Elias Grünewald, Jannis Kiesel, Louis Loechel, Thomas Janke und Siar-Remzi Akbayin: Advancing Transparency Enhancing Tools for Cloud-Native Architectures and Engineering
  • Johannes Kevekordes: Datenzugangsschutz als neues Vermögensrecht im Rahmen des EU Data Act
  • Stephanie von Maltzan und Oliver Vettermann: Grenzen des Transparenzideals der Datenschutz-Grundverordnung
  • Frederik Metzger und Greta Runge: Reciprocity of Data Sharing Infrastructures: A Conceptual Norms Framework
  • Simone Salemi, Bianca Steffes und Nils Wiedemann: Data Sharing im Kontext digitaler Selbstvermessung
  • Sascha Schiegg, Armin Gerl und Harald Kosch: Technische Aspekte eines Privatsphäre-beachtenden Datenaustauschnetzwerks
  • Lena Wiese, Despina Tawadros, Robert Zifrid, Isa Wasswa Musisi, Mohammed Altibi, Fihmi Mousa, Holger Storf, Axel Zieschank, Jens Göbel und Torsten Panholzer: Eine Softwarearchitektur zur vergleichenden Auswertung von Privacy-Metriken auf geschachtelten Daten
  • Sebastian Wilhelm, Jakob Folz und Florian Wahl: Open Personal Data: Anonymisierung im Spannungsfeld zwischen Informationsgehalt und Robustheit

Tagungsband

Beiträge der Tagung werden in einem Sammelband veröffentlicht, der in der Reihe „Privatheit und Selbstbestimmung in der digitalen Welt“ im Nomos-Verlag, Baden-Baden erscheinen wird. Nach der Tagung werden ausgewählte Beitragenden dazu eingeladen, eine schriftliche Ausarbeitung einzureichen (Deadline voraussichtlich im Februar 2024). Die Einreichungen werden begutachtet.



Termine

  • Einreichung der Texte für den Tagungsband: vsl. 28. Februar 2024 
  • Veröffentlichung des Tagungsbands: vsl. Oktober 2024

Bildergalerie

Copyright by Marc Müller



Wissenschaftskommunikation

Barbara Ferrarese, Plattform Privatheit
Tel.: +49 721 6809-678
E-Mail senden


Organisation

Michael Friedewald, Susanne Ruhm, Greta Runge, Murat Karaboga, Frank Ebbers
Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung ISI
info@forum-privatheit.de

Alexander Roßnagel, Tamer Bile, Christian Geminn
Universität Kassel, Projektgruppe verfassungsverträgliche Technikgestaltung, Wissenschaftliches Zentrum für Informationstechnik-Gestaltung