Pressemitteilung: Nutzung medizinischer Daten mit Datenschutz durchaus vereinbar

17.03.2023

Das Bundesministerium für Bildung und Forschung hatte vom 13.-15. März zur Nationalen Konferenz IT-Sicherheitsforschung 2023 nach Berlin eingeladen. Die Konferenz stand unter dem Leitthema „Die digital vernetzte Gesellschaft stärken“. Das „Forum Privatheit“ diskutierte im Rahmen der Konferenz mit vier Expertinnen und Experten aus Medizin, Datenschutz und Ethik darüber, welche Chancen und Risiken es für Bürgerinnen und Bürger birgt, wenn ihre Patientendaten zu Medizinforschungszwecken zunehmend ausgetauscht und genutzt werden - und was getan werden sollte, um die bestehenden Zielkonflikte zu lösen. "Natürlich ist es gut, Daten für Forschung zum Wohl der Allgemeinheit nutzbar zu machen. Doch sind gerade individuelle Gesundheitsdaten aus guten Gründen besonders sensible und schützenswerte Daten. Und damit haben wir einen Konflikt zwischen verschiedenen Grundrechten, die im Prinzip alle gleichrangig sind: Das Grundrecht auf Gesundheit, das Grundrecht auf Forschung und das Grundrecht auf den Schutz personenbezogener Daten, auch Datenschutz oder informationelle Selbstbestimmung genannt", führte Forum Privatheit-Sprecher Prof. Dr. Alexander Roßnagel in das Thema ein.

Ralf Heyder, Charité Berlin, entgegnete, dass sowohl die medizinische Forschung als auch die Patientenversorgung von der Existenz und Verfügbarkeit guter Gesundheitsdaten profitierten. "Leider steht ein solcher Datenbestand in Deutschland bislang aus organisatorischen, rechtlichen und technischen Gründen nicht zur Verfügung", beklagte Heyder. Der Datenschutz sei einer der hemmenden Faktoren. Er forderte den Aufbau der notwendigen technischen Infrastruktur, die Etablierung von Standards für qualitativ hochwertige Gesundheitsdaten, eine Harmonisierung der gesetzlichen Vorschriften und eine forschungsfreundlichere Aufsichtspraxis.

Angelika Diarra, Rechtsanwältin und Spezialistin für Gesundheitsrecht in Frankfurt, führte den Missstand auf den Flickenteppich an Regelungen aus verschiedensten Bundes- und Landesvorschriften zurück, die weiterhin neben der europäischen Datenschutzgrundverordnung gelten und nicht harmonisiert sind. Um Rechtssicherheit herzustellen, forderte sie neben dieser Harmonisierung die Schaffung eines Forschungsdatengesetzes, das klare Regeln formuliere und den Interessen aller Akteure und Betroffenen Rechnung trage.

PD Dr. Jessica Heesen, Ethikerin an der Universität Tübingen, betonte, dass eine datenbasierte Forschung und Prävention nicht zu einer Bewertung des individuellen Lebensstils durch Versicherungen führen dürfe. Sie machte darauf aufmerksam, dass ein gesicherter Datenschutz die Basis für das individuelle Vertrauen in das Gesundheitswesen sei: „Probleme liegen häufig nicht an einem zu viel an Datenschutz, sondern an einem zu wenig an verlässlicher Kommunikation zwischen dem ärztlichen Personal, medizinischen Einrichtungen und den betroffenen Personen.“

Alexander Roßnagel fasste das Diskussionsergebnis zusammen: „Datennutzung zur medizinischen Forschung zum Wohl von Patientinnen und Patienten und der Schutz ihres Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung sind kein unlösbarer Widerspruch. Eine zunehmende und intensivere Nutzung der Patientendaten muss jedoch durch zusätzliche Schutz- und Sicherungsmaßnahmen ausgeglichen werden. Hierzu kann eine gezielte Forschung zu IT-Sicherheit entscheidend beitragen.“ Wichtig ist ihm vor allem auch eine Entlastung der Patientinnen und Patienten: "Man kann ihnen nicht zumuten, alles über die Einwilligung zu regeln. Damit bürdet man dem einzelnen Menschen Fragen auf, die er nicht beantworten kann. Wir brauchen hier eine gesetzliche Regelung."

Die Diskussion wurde von Forum Privatheit-Koordinator Dr. Michael Friedewald moderiert.

In der Plattform Privatheit setzen sich Expert:innen aus wissenschaftlichen Institutionen interdisziplinär, kritisch und unabhängig mit Fragestellungen zum Schutz der Privatheit auseinander. Das Forum Privatheit als eines der Kernprojekte der Plattform wird vom Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung koordiniert. Weiterer Partner ist das Wissenschaftliche Zentrum für Informationstechnik-Gestaltung an der Universität Kassel. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) fördert die Plattform Privatheit, um den öffentlichen Diskurs zu den Themen Privatheit und Datenschutz anzuregen.

Mitglied Forum Privatheit
PD Dr. Jessica Heesen
Internationales Zentrum für Ethik in den Wissenschaften (IZEW)
Universität Tübingen
Pressefoto Jessica Heesen

Sprecher „Forum Privatheit“:
Prof. Dr. Alexander Roßnagel
Wissenschaftliches Zentrum für Informationstechnik-Gestaltung (ITeG)
Universität Kassel
Pressefoto Alexander Roßnagel

Projektkoordination „Forum Privatheit“:
Dr. Michael Friedewald
Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung ISI
Competence Center Neue Technologien
Pressefoto Michael Friedewald

Wissenschaftskommunikation „Forum Privatheit“:
Barbara Ferrarese, M.A.
Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung ISI
Competence Center Neue Technologien
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