Interdisziplinäre Jahreskonferenz
Forum Privatheit 2023: Data Sharing – Datenkapitalismus by Default?
Präsenz-Veranstaltung
Datum: 05. bis 06. Oktober 2023
Veranstaltungsort: Umweltforum, Pufendorfstraße 11, 10249 Berlin
Das Teilen von Daten (Data Sharing) ist notwendiger Bestandteil jeder Gesellschaft. Es ist die Grundlage gemeinsamer Kommunikation und Aktion. Allerdings werden Nutzer:innen auch aufgrund wirtschaftlicher Interessen der großen Plattformen, auf denen ein Großteil dieser Kommunikation stattfindet, zum (Over-)Sharing verleitet. Auch zahlreiche (wirtschafts-) politische Initiativen (bspw. GAIA-X, Mobility Data Space, European Health Data Space) beziehen sich auf Data Sharing. Das Teilen von Daten in diesem Kontext ist mit wirtschaftlichen Interessen verbunden und soll gleichzeitig Werte für das Gemeinwohl hervorbringen. Es gibt aber auch Ansätze, die es über dezentrale Architekturen und Gemeinschaften, Nutzer:innen, die diese Daten größtenteils produzieren, ermöglichen sollen, selbstbestimmt ihre Daten zu teilen. Allerdings werden die geteilten Daten heute meist von zentralisierten Plattformen beherrscht, die von großen, internationalen Branchenakteuren kontrolliert werden, statt über dezentrale Architekturen und Gemeinschaften, die diese Daten größtenteils produzieren. „Sharing“ bedeutet in diesem Kontext dann zumeist das Zur- Verfügung-Stellen von Nutzungsdaten, mit denen die großen Branchenakteure in der Folge exklusiv arbeiten können.
In jüngster Zeit hat die europäische Politik damit begonnen, mit einem rechtlichen Rahmen das Teilen von Daten zu forcieren. Dieser Rahmen ermöglicht Konzepte zur Verpflichtung öffentlicher Stellen für Open Data, zur Hervorbringung von Daten-Märkten mit Hilfe von Datenmittlern und zu altruistischen Datenspenden mit Hilfe von Datentreuhändern. Es entstehen neue Instrumente, die Sharing-Ansprüche anderer Marktteilnehmer, der Nutzer:innen oder von Forschenden umfassen. Im Zentrum der Regulierungsbemühungen stehen bereits verabschiedete Regulierungen wie der Data Governance Act und Regulierungsvorhaben wie der Data Act oder die Verordnung zur Schaffung eines europäischen Raums für Gesundheitsdaten. Auch auf deutscher Ebene soll das Teilen von Daten weiter befördert werden durch ein Forschungsdatengesetz und ein Gesundheitsdatennutzungsgesetz.
Einerseits haben die regulatorischen Bemühungen das Ziel, öffentliche Daten leichter zugänglich zu machen und den Datenaustausch zwischen Wirtschaft, Medien, öffentlichen Stellen, Bürger:innen und Forschung anzuregen. Andererseits sollen insbesondere Hersteller und Dateninhaber dazu verpflichtet werden, Daten aus vernetzten Geräten (wie Maschinen, Haushaltsgeräten oder Fahrzeugen) zu teilen. Auf diese Weise sollen Daten, die ansonsten zentral insbesondere bei einzelnen Unternehmen lägen, über Datentreuhänder und Datenräume einem möglichst breiten Nutzer:innenkreis (Verbraucher:innen wie auch der Wirtschaft, der Forschung und dem Journalismus) zugänglich gemacht werden, um datenbasierte Innovationen zu ermöglichen und das Gemeinwohl zu stärken. Noch ist aber unklar, was die angestrebte Nutzbarmachung von Daten tatsächlich für Folgen haben wird, welche Möglichkeiten sie bietet und welche Hindernisse beteiligte Akteure und Sektoren überwinden müssen, um Potenziale zu heben. Zu wenig diskutiert wird die Frage, wie die Sozialpflichtigkeit der größten Datensammlungen, die bei den großen Plattformanbietern bestehen, für das Gemeinwohl aktualisiert werden sollte.
Mit der Tagung wollen wir dazu beitragen, dass das Teilen von Daten und deren Nutzbarmachung auf sichere und gerechte Weise erfolgt, so dass berechtigte Informations- und Nutzungsinteressen einerseits unterstützt und andererseits die Privatheit und andere Rechte derjenigen geschützt werden, die ihre Daten teilen wollen, aber auch derjenigen, die dies nicht können oder nicht wollen. Schon heute lassen sich Möglichkeiten eruieren, um eine gerechte Verteilung der Vorteile – und Nebenwirkungen – des Datenteilens in einer globalisierten Welt zu ermöglichen.
Programm:
An beiden Tagen werden Poster ausgestellt (Raum: Galerie).
Donnerstag
8:30 - 10:00 | Registrierung und Ankommen | |
Eröffnung (Raum: Saal, Moderation: Miriam Janke und Barbara Ferrarese) |
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10:00 - 10:45 | Eröffnung Begrüßung: Mario Brandenburg MdB, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Bildung und Forschung Einführung ins Tagungsthema |
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Keynote #1 (Raum: Saal, Moderation: Barbara Ferrarese) |
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10:45 - 11:30 | Keynote #1: Praktische Konkordanz und Kohärenz von Individualrechten und öffentlichem Interesse im EU Recht der persönlichen Daten Paul Nemitz (Europäische Kommission, GD Justiz und Verbraucherschutz) |
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Panel #1: Datenintermediäre (Raum: Saal, Moderation: Miriam Janke und Gerrit Hornung) |
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11:30 - 12:45 | Hanna Püschel und Leona Lassak: Zukunftsmodell Datentreuhänder? Studie zu Gestaltung, Anforderungen und Akzeptanz aus Nutzerperspektive | |
Paul Johannes: Wenn die Datengenossenschaft für mich einwilligt – Zum speziellen Datenvermittlungsdienst nach DGA | ||
Bernd Rauch und Denis Feth: Datentreuhänder: Definition, Anforderungen und Einordnung | ||
12:45 - 13:45 | Mittagspause | |
Parallele Paper Session #1 und #2 |
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13:45-15:15 | Raum: Seminar Moderation: Felix Bieker | Raum Saal Moderation: Christian Geminn |
Antonios Hazim: Human Centered Privacy Design: Designing an Interactive Privacy Visualization with the FOSS Community | Achim Klabunde: Can fines for illegal data operations finance legal data sharing in the public interest? | |
Alexander Orlowski, Christopher Ruff und Andrea Horch: Transparenter Datenautonomie Meta-Assistent: informationelle Selbstbestimmung im Smart Home | Jan Hintz, Yamini Sinha und Ingo Siegert: Anonymisierung - Der Heilige Gral? | |
Peter Sörries, David Leimstädtner und Claudia Müller-Birn: Werteorientierte partizipative Methoden zur Unterstützung von Bürger:innen bei der Wahrnehmung ihrer Datensouveränität | Jens Grossklags, Emmanuel Syrmoudis, Johann Kranz, Sophie Kübler-Wachendorff, Stefan Mager, Susanne Mayr und Robert Luzsa: Psychologische, ökonomische und technische Aspekte der Datenportabilität: Erkenntnisse aus einem interdisziplinären Forschungsprojekt | |
15:15 - 15:35 | Kurze Pause | |
Parallele Paper Session #3 und #4 |
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15:35 - 16:35 | Raum: Seminar Moderation: Stephan Schindler | Raum Saal Moderation: Murat Karaboga |
Marco Wedel, Antonios Hazim und Alexandra Wudel: Europäische KI-Regulierung: Auf der Suche nach nachhaltigen und inklusiven Ansätzen für gemeinsame IT-Welten | Simon Engert, Jonathan Kropf und Markus Uhlmann: Fairness by Default? Die Rolle von Datentreuhändern am Beispiel von Journalismus-Plattformen | |
Fabiola Böning und Uwe Laufs: Technische Möglichkeiten zur vereinfachten Ausübung von Betroffenenrechten | Gunnar Hempel, Daniel Richter und Michael Kubach: Öffentliche Verwaltung als Katalysator für selbstbestimmtes Datenteilen: Digitale Nachweise auf Basis von Registerdaten | |
Keynote #2 (Raum: Saal, Moderation: Miriam Janke) |
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16:45 - 17:30 | Keynote #2: Europäische Suche? Vom Datenkapitalismus zur Suchmaschinen-Diversität Astrid Mager (Österreichische Akademie der Wissenschaften) |
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Abschluss des Tages (Raum: Saal, Moderation: Miriam Janke und Barbara Ferrarese) |
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17:30 - 17:40 | Abschluss Tag 1 | |
17:40 - 17:50 | Science Slam: "Neulich im Neuland" Frank Ebbers |
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Ab 18:00 | Ausklang beim Finger Food Buffet |
Freitag
9:00 - 9:45 | Vernetzungskaffee | |
09:45 - 10:00 | Begrüßung Moderation: Miriam Janke und Barbara Ferrarese |
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Keynote #3 (Raum: Saal, Moderation: Barbara Ferrarese) |
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10:00 - 10:45 | Keynote #3: The winner takes it all? - Selbstbestimmung und Fairness beim Teilen von Daten Ulrich Kelber (Bundesbeauftragter für den Datenschutz und die Informationsfreiheit) |
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Panel #2: Datenräume (Raum: Saal, Moderation: Miriam Janke und Andreas Baur) |
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10:45 - 12:00 | Abel Reiberg and Crispin Niebel: Governance von Datenräumen – Akteure, Strukturen und Aufgaben | |
Oliver Vettermann: Die Infrastruktur, mein digitaler Zwilling und ich: Das Individuum und die digitale Identität im Mittelpunkt des Datenkapitalismus | ||
Stefanie Fuchsloch, Wolf Zinke und York Sure-Vetter: Drei Wünsche an die Datenpolitik – aus Sicht einer Dateninfrastruktur | ||
12:00 - 13:00 | Mittagspause | |
Parallele Paper Session #5 und #6 |
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13:00 - 14:30 | Raum: Seminar Moderation: Ina Schiering | Raum Saal Moderation: Rahild Neuburger |
Juliane Stiller und Violeta Trkulja: Sharing von Gesundheits(falsch)informationen: Erste Ergebnisse einer Studie mit Selbstauskünften und Umfragen | Dagmar Gesmann-Nuissl und Stefanie Meyer: Die neue Ära des Datenhandels: Daten als Währung und Gegenleistung | |
Henrik Graßhoff und Stefan Schiffner: Digitale Instrumente in kommenden Pandemien: Lehren aus der Corona-Warn-App | Lukas Schmitz: Adaption des Datenkapitalismus im Alltag: Der Umgang mit Privatheitsansprüchen bei der Nutzung von Sprachassistenten | |
Stefanie Brückner und Stephen Gilbert: Ein partizipativer Consent-Ansatz zur Gesundheitsdatennutzung - Ergebnisse einer Pilotumfrage mit Ärzt:innen | Daniel Franzen und Claudia Müller-Birn: Daten Fair teilen mit Differential Privacy: Die Möglichkeiten von Datenschutzgarantien für die Gesellschaft nutzbar machen | |
14:30 - 14:45 | Kurze Pause | |
Abschlussdiskussion (Raum: Saal, Moderation: Miriam Janke) |
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14:45 - 15:30 | Ulrich Kelber (BfDI), Astrid Mager (ÖÄW) und Christian Busse (Nationale Forschungsdateninfrastruktur e.V., DKFZ) | |
15:30 - 15:45 | Zusammenfassung und Abschied |
Poster an beiden Tagen (Raum: Galerie)
- Daniela Fuchs und Margit Hofer: Responsible Research and Innovation und die Utopie des gemeinnützigen Datenteilens
- Elias Grünewald, Jannis Kiesel, Louis Loechel, Thomas Janke und Siar-Remzi Akbayin: Advancing Transparency Enhancing Tools for Cloud-Native Architectures and Engineering
- Johannes Kevekordes: Datenzugangsschutz als neues Vermögensrecht im Rahmen des EU Data Act
- Stephanie von Maltzan und Oliver Vettermann: Grenzen des Transparenzideals der Datenschutz-Grundverordnung
- Frederik Metzger und Greta Runge: Reciprocity of Data Sharing Infrastructures: A Conceptual Norms Framework
- Simone Salemi, Bianca Steffes und Nils Wiedemann: Data Sharing im Kontext digitaler Selbstvermessung
- Sascha Schiegg, Armin Gerl und Harald Kosch: Technische Aspekte eines Privatsphäre-beachtenden Datenaustauschnetzwerks
- Lena Wiese, Despina Tawadros, Robert Zifrid, Isa Wasswa Musisi, Mohammed Altibi, Fihmi Mousa, Holger Storf, Axel Zieschank, Jens Göbel und Torsten Panholzer: Eine Softwarearchitektur zur vergleichenden Auswertung von Privacy-Metriken auf geschachtelten Daten
- Sebastian Wilhelm, Jakob Folz und Florian Wahl: Open Personal Data: Anonymisierung im Spannungsfeld zwischen Informationsgehalt und Robustheit
Tagungsband
Beiträge der Tagung werden in einem Sammelband veröffentlicht, der in der Reihe „Privatheit und Selbstbestimmung in der digitalen Welt“ im Nomos-Verlag, Baden-Baden erscheinen wird. Nach der Tagung werden ausgewählte Beitragenden dazu eingeladen, eine schriftliche Ausarbeitung einzureichen (Deadline voraussichtlich im Februar 2024). Die Einreichungen werden begutachtet.
Termine
Beschreibung | Datum |
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Einladung zur Einreichung für den Tagungsband: | vsl. 20. Oktober 2023 |
Einreichung der Texte für den Tagungsband: | vsl. 28. Februar 2024 |
Veröffentlichung des Tagungsbands: | vsl. Oktober 2024 |
Folien, Graphic Recording und Videoaufzeichnung
Hier finden Sie die Folien und Videoaufzeichnungen der Vortragenden, sowie das Graphic Recording von Magdalena Vollmer – Illustration für Kommunikation zu jedem einzelnen Vortrag. Über die Suchfunktion oberhalb der Tabelle können Sie nach bestimmten Vorträgen oder Autoren suchen.
Fotos
Copyright by Marc Müller
Programmkomitee
- Prof. Dr. Alexander Roßnagel, Universität Kassel (Tagungsleitung)
- Dr. Michael Friedewald, Fraunhofer ISI (Tagungsleitung)
- Dr. Marit Hansen, Unabhängiges Landeszentrum für Datenschutz Schleswig-Holstein
- Prof. Dr. Nicole C. Krämer, Universität Duisburg-Essen
- PD Dr. Christian L. Geminn, Universität Kassel
- Prof. Dr. Gerrit Hornung & Dr. Stephan Schindler, Universität Kassel
- Prof. Dr. Jörn Lamla & PD Dr. Carsten Ochs, Universität Kassel
- PD Dr. Jessica Heesen, Universität Tübingen
- Dr. Rahild Neuburger, LMU München
Wissenschaftskommunikation
Barbara Ferrarese, Plattform Privatheit
Tel.: +49 721 6809-678
E-Mail senden
Organisation
Michael Friedewald, Susanne Ruhm, Greta Runge, Murat Karaboga, Frank Ebbers
Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung ISI
info@forum-privatheit.de
Alexander Roßnagel, Tamer Bile, Christian Geminn
Universität Kassel, Projektgruppe verfassungsverträgliche Technikgestaltung, Wissenschaftliches Zentrum für Informationstechnik-Gestaltung
