Einerseits bieten digitale Technologien neue Formen des Lernens, anderseits aber auch neue Möglichkeiten der Überwachung durch kommerzielle Dienstleister, Lehrkräfte, Eltern – und sogar der Schülerinnen und Schüler untereinander. Was dies für die Kinder und Jugendlichen bedeutet und welchen Beitrag Eltern und Schulen leisten können, um dem Bedürfnis nach Privatheit von Kindern und Jugendlichen gerecht zu werden, wird auf der interdisziplinären Jahreskonferenz des Forum Privatheit am 21./22. November „Aufwachsen in überwachten Umgebungen: Wie lässt sich Datenschutz in Schule und Kinderzimmer umsetzen?“ in Berlin diskutiert.
Kinder brauchen Freiheiten
„Kinder brauchen Freiheiten, um zu selbstbewussten Erwachsenen zu werden – sie brauchen aber ebenso unsere Fürsorge. Hier auch dann ein richtiges Maß zu finden, wenn neue Technologien eine Überwachung der Kinder so einfach machen, ist eine zentrale Herausforderung für Eltern und Schulen“, so Regina Ammicht Quinn, Sprecherin des Tübinger Zentrums für Ethik in den Wissenschaften. Denn digitale Technologien sind aus dem Leben von Kindern und Jugendlichen nicht mehr wegzudenken: Von der Videoüberwachung im Säuglingsalter über den Lernroboter im Kindergarten bis hin zum Lernassistenten für den individuellen Bildungserfolg in der Jugend. Dabei beschränken sich Anwendungen, die von Heranwachsenden selbst genutzt werden, nicht nur auf den formalen Bildungskontext von Schulen und Lehreinrichtungen, sondern halten beim spielerischen Lernen Einzug in die Kinderzimmer. „Vor diesem Hintergrund müssen wir zukünftig besser verstehen, inwiefern Kindern und Jugendlichen die Risiken der Nutzung digitaler Lernhilfen bewusst sind und wie sie nachhaltig darauf hingewiesen werden können“ sagt Nicole Krämer, Professorin für Medienpsychologie an der Universität Duisburg-Essen.
Der Schutz der Privatsphäre ist für die Persönlichkeitsentwicklung von Kindern und Jugendlichen besonders wichtig
Die Analyse von Lernverhalten kann sehr persönliche Informationen über Fähigkeiten, Intelligenz oder inhaltliche Interessen offenlegen. Obwohl die Relevanz von Privatheits-, Überwachungs- und Datenschutzfragen in diesem sensiblen Bereich offensichtlich sind, werden diese Themen sowohl in der öffentlichen Diskussion als auch in der Wissenschaft bislang nur wenig reflektiert. Erste Ansätze sind jedoch erkennbar: So wird aktuell unter dem Schlagwort „Sharenting“ die Verantwortung der Eltern gegenüber den Privatheitsansprüchen ihrer Kinder diskutiert. Auch die Digitalisierungsoffensive an den Schulen ist ein wichtiges und häufig debattiertes Thema innerhalb der Schüler- und Lehrerschaft, wobei in dieser Diskussion der Privatsphärenschutz noch kaum berücksichtigt wird. Zugleich ist 2019 der 30-jährige Geburtstag der UN-Kinderrechtskonvention. „In ihr ist das Recht von Kindern und Jugendlichen auf Privatheit und Datenschutz verbrieft“, erläutert die Kinderethikerin Ingrid Stapf. „Mediale Anbieter sollten daher bei der Entwicklung, im Design und bei der Umsetzung von Angeboten verpflichtet werden, grundlegende Standards einzuhalten.“
Dialog zwischen Wissenschaft, Lehrenden und Lernenden: Wie ist die Realität – und was wird gewünscht?
Die Konferenz nimmt die Debatte um verbriefte Privatheitsrechte auf der einen Seite und Überwachungspraktiken im Alltag der Kinder auf der anderen Seite auf und eröffnet den Dialog zwischen Wissenschaft und Betroffenen aus dem (Schul-)Alltag. Dazu binden die Organisatoren Schülerinnen und Schüler wie auch Lehrkräfte ein, bieten einen eigenen Workshop für Fragen des Datenschutzes in der Schule an, zeigen die kinderrechtliche Bedeutung des Datenschutzes auf und diskutieren zahlreiche Good-Practice-Vorbilder. „Die Schule ist ein Lernort für Demokratie und freie Meinungsbildung. Schülerinnen und Schüler sollen sich hier entfalten und erproben können, ohne dass sie sich überwacht und eingeschüchtert fühlen“, verdeutlicht die Medienethikerin Jessica Heesen und führt fort: „Als öffentliche Einrichtung muss die Schule Vorbildfunktion für den Datenschutz haben.“
Veranstaltungshinweis:
Jahreskonferenz Forum Privatheit, „Aufwachsen in überwachten Umgebungen: Wie lässt sich Datenschutz in Schule und Kinderzimmer umsetzen?“, 21./22. November 2019, Kalkscheune, Johannisstraße 2, 10117 Berlin. Das Programm finden Sie hier. Und hier können Sie sich anmelden.
Im Forum Privatheit setzen sich Expertinnen und Experten aus sieben wissenschaftlichen Institutionen interdisziplinär, kritisch und unabhängig mit Fragestellungen zum Schutz der Privatheit auseinander. Das Projekt wird vom Fraunhofer ISI koordiniert. Weitere Partner sind das Fraunhofer SIT, die Universität Duisburg-Essen, das Wissenschaftliche Zentrum für Informationstechnik-Gestaltung (ITeG) der Universität Kassel, die Universität Tübingen, die Ludwig-Maximilians-Universität München sowie das Unabhängige Landeszentrum für Datenschutz Schleswig-Holstein. Das BMBF fördert das Forum Privatheit, um den öffentlichen Diskurs zu den Themen Privatheit und Datenschutz anzuregen.
Organisation der Jahreskonferenz
Prof. Dr. Regina Ammicht Quinn
Internationales Zentrum für Ethik in den Wissenschaften IZEW
Universität Tübingen
E-Mail: Prof. Dr. Regina Ammicht Quinn
PD Dr. Jessica Heesen
Internationales Zentrum für Ethik in den Wissenschaften IZEW
Universität Tübingen
E-Mail: PD Dr. Jessica Heesen
Dr. Ingrid Stapf
Internationales Zentrum für Ethik in den Wissenschaften
Universität Tübingen
E-Mail: Dr. Ingrid Stapf
Prof. Dr. Nicole Krämer
Fachgebiet Sozialpsychologie
Universität Duisburg-Essen
E-Mail: Prof. Dr. Nicole Krämer
Barbara Ferrarese, M.A.
Presse und Kommunikation „Forum Privatheit“
Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung ISI
Tel.: 0721 6809-678
E-Mail: Barbara Ferrarese, M.A.
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