Zum Datenschutz gestupst? Gestaltungsorientierte Entwicklung von Privacy Nudges vor dem Hintergrund ethischer und rechtlicher Leitlinien
Sofia Marlena Schöbel, Sabrina Schomberg, Torben Barev, Thomas Grote, Andreas Janson, Gerrit Hornung and Jan Marco Leimeister
Abstract:
Die Digitalisierung verändert unsere Gesellschaft, die Art wie wir miteinander kommunizieren und wie wir arbeiten. Aktuellen Prognosen zufolge werden im Jahre 2022 60 % des weltweiten Bruttoinlandsprodukts mithilfe digitaler Technologien erbracht. Dabei birgt die Digitalisierung nicht nur Vorteile, sondern führt auch dazu, dass jedes Individuum durch sein Agieren in der digitalen Welt Datenspuren hinterlässt. Diese Daten werden gesammelt, aggregiert und ausgewertet, und das vielfach, ohne dass sich Individuen dessen bewusst sind. Es bedarf somit innovativer Lösungen, die sowohl die Chancen der Digitalisierung ausschöpfen als auch gleichzeitig gewährleisten, dass seitens der Individuen sorgsam mit Daten umgegangen wird. Hier kann das sogenannte Privacy Nudging genutzt werden, durch das Nutzer “”angestupst”” werden, um ihr Verhalten zu verändern. Auch wenn sich der Einsatz von Privacy Nudges durchaus als effektiv und sinnvoll erwiesen hat, gibt es zahlreiche rechtliche, ethische und auch soziotechnische Hürden, die es bei der Gestaltung von Nudges zu berücksichtigen gilt. Ein prominentes Beispiel ist hierbei das klare Framing von Entscheidungen bei der Annahme von Internet-Cookies. So werden zwar datenschutzfreundliche Defaults vorgegeben, allerdings framen vermehrt Internetplattformen die Entscheidung so, dass Nutzende einfacher weiteren Cookies zustimmen als den eigentlichen Default zu behalten. Entsprechend präsentiert der Beitrag eine integrative sozio-technische Gestaltungsperspektive für Privacy Nudging, indem Technik, Ethik und Recht nicht mehr nur isoliert betrachtet werden.
Über die Autoren:
Dr. Sofia Schöbel ist Post Doktorandin und Projektleiterin an der Universität Kassel am Fachgebiet für Wirtschaftsinformatik. Dr. Sofia Schöbel promovierte zum Thema Gamification für digitale Lernanwendungen. Ihre Forschungsinteressen beziehen sich neben der Gestaltung von digitalen Nudges auf die Nutzung und die Gestaltung von smarten, persönlichen Assistenten und darauf, wie Nutzer zu einer Interaktion mit dem Assistenten motiviert und angeregt werden können. Ihre Forschungsergebnisse wurden auf international anerkannten Konferenzen wie der International Conference on Information Systems (ICIS) sowie in Journals wie dem European Journal of Information Systems (EJIS) publiziert.
Sabrina Schomberg ist seit 2019 wissenschaftliche Mitarbeiterin des Fachgebiets Öffentliches Recht, IT-Recht und Umweltrecht am Wissenschaftlichen Zentrum für Informationstechnik-Gestaltung (ITeG) an der Universität Kassel, in dem Projekt “Nudging Privacy in der digitalisierten Arbeitswelt – Systematische Konzeptentwicklung und Pilotierung” (Nudger). Von 2016-2018 absolvierte sie den Juristischen Vorbereitungsdienst am LG Kassel mit Stationen in Speyer und Berlin und schloss diesen mit dem Zweiten Juristischen Staatsexamen ab. Zuvor studierte sie Rechtswissenschaften an der Georg-August-Universität Göttingen und der Université de Genève mit dem Abschluss des Ersten Juristischen Staatsexamens und dem Schwerpunkt “Internationales und Europäisches öffentliches Recht”.
Torben Jan Barev ist wissenschaftliche Mitarbeiter an der Universität Kassel am Fachgebiet für Wirtschaftsinformatik. Er absolvierte er ein Masterstudium an der University of Melbourne im Bereich Marketingmanagement. Seine Forschungsinteresse liegt insbesondere auf dem Decision-making in digitalen Umgebungen und seine Forschung wurde unter anderem im Journal Datenschutz und Datensicherheit (DuD) oder auf Konferenzen wie der International Conference on Design Science Research in Information Systems and Technology (DESRIST) veröffentlicht. Für seine Forschung rund um Privacy Nudging gewann er den Best Paper Award der Hawaii International Conference on System Sciences (HICSS) 2020.
Thomas Grote, Universität Tübingen
Dr. Andreas Janson ist Post-Doc und Projektleiter am lnstitut für Wirtschaftsinformatik der Universität St.Gallen (IWI-HSG). Dr. Andreas Janson promovierte an der Universität Kassel zu digitalen Lernprozessen. Seine Forschungsinteressen umfassen dabei insbesondere das Decision-making in digitalen Umgebungen und die Gestaltung von digitalen Dienstleistungen. Seine Forschung wurde unter anderem in Journals wie dem Journal of the Association for Information Systems (JAIS), Journal of Information Technology (JIT) und dem Acade Management Learning & Education (AMLE) Journal veröffentlicht. Für seine Forschung rund um Privacy Nudging gewann er den Best Paper Award der Hawaii International Conference on System Sciences (HICSS) 2020.
Prof. Dr. Gerrit Hornung, LL.M., studierte Rechtswissenschaften und Philosophie an den Universitäten Freiburg und Edinburgh. 2005 wurde er an der Universität Kassel mit einer Arbeit über Rechtsprobleme von Chipkartenausweisen promoviert. Nach dem Referendariat war er 2006 bis 2011 Geschäftsführer der Projektgruppe verfassungsverträgliche Technikgestaltung (provet) an der Universität Kassel und habilitierte sich dort mit der Arbeit „Grundrechtsinnovationen“. 2011 bis 2015 war er Professor für Öffentliches Recht, IT-Recht und Rechtsinformatik an der Universität Passau. Seit 2015 ist Hornung Professor für Öffentliches Recht, IT-Recht und Umweltrecht an der Universität Kassel und Direktor am dortigen Wissenschaftlichen Zentrum für Informationstechnik-Gestaltung (ITeG).
Professor Dr. Jan Marco Leimeister ist Leiter des Fachgebietes Wirtschaftsinformatik und Direktor am Wissenschaftlichen Zentrum für Informationstechnik-Gestaltung (ITeG) der Universität Kassel. Er ist zudem Ordinarius für Wirtschaftsinformatik und Direktor am Institut für Wirtschaftsinformatik (IWI HSG) der Universität St.Gallen. Seine Forschungsschwerpunkte liegen im Bereich Digital Business, Digital Transformation, Dienstleistungsforschung, Crowdsourcing, Digitale Arbeit, Collaboration Engineering und IT Innovationsmanagement. Er unterrichtet in diversen Executive Education Programmen zu diesen Themen.