Pressemitteilung: Führt der Koalitionsvertrag zu einer Stärkung von Daten- und Grundrechtsschutz?

10. Februar 2022

Führt der Koalitionsvertrag zu einer Stärkung von Daten- und Grundrechtsschutz?

Forschungsverbund Forum Privatheit entwickelt Vorschläge, wie die Digitalisierungsvorhaben der neuen Bundesregierung zu mehr Daten- und Grundrechtsschutz führen können: Mehr Fortschritt wagen – durch Stärkung des Datenschutzes

Der Koalitionsvertrag zwischen SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP verspricht ein „Bündnis für Freiheit, Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit“. Er formuliert einen Gestaltungsanspruch, der sich vor allem auch auf die Digitalisierung von Wirtschaft und Gesellschaft bezieht. „Digitalisierung zu fördern und zu gestalten, ist richtig. Denn sie beeinflusst tiefgreifend die Verwirklichungsbedingungen von Privatheit und Selbstbestimmung. Wer angesichts der Intensität und Dynamik der Veränderungen nicht passives Objekt der Digitalisierung werden will, muss sie gestalten. Dies wird im Koalitionsvertrag an vielen Stellen zum Ausdruck gebracht, erfordert für eine erfolgreiche Umsetzung jedoch konsequente Anstrengungen, um Risiken zu mindern und Chancen zu nutzen“, so Alexander Roßnagel, Sprecher des Forschungsverbunds Forum Privatheit, Beauftragter für Datenschutz und Informationsfreiheit des Landes Hessen und Senior Professor für Technikrecht an der Uni Kassel.

Der Koalitionsvertrag nennt zahlreiche Vorhaben, die Privatheit, Selbstbestimmung und Datenschutz betreffen oder Auswirkungen darauf haben. Er ist jedoch ein Kompromiss, der nur das konkret benennt, worauf sich die Koalitionäre inhaltlich einigen konnten. Vieles wird daher nur angedeutet, bleibt im Ungefähren oder erfährt eine abstrakte Formulierung. Angesichts der Bedeutung dieses Programms hat der Expert*innenkreis „Forum Privatheit und selbstbestimmtes Leben in der digitalen Welt“ den Koalitionsvertrag daraufhin analysiert, welche Aussagen er zur Gestaltung der Digitalisierung mit Blick auf Privatheit und Selbstbestimmung enthält. Für dieses Ziel hat er in konstruktiver Absicht untersucht, mit welchen Maßnahmen die Aussagen im Koalitionsvertrag unterlegt werden könnten, um sie zu erreichen. Die Handlungsmöglichkeiten der neuen Bundesregierung hat das Forum Privatheit in dem Policy Paper „Mehr Fortschritt wagen – durch Stärkung des Datenschutzes“ zusammengefasst.

Schutz von Privatheit und Selbstbestimmung sind für Akzeptanz der Modernisierung entscheidend

Das Paper analysiert den globalen Systemwettbewerb zwischen einem US-amerikanischen und einem chinesischen Weg in die Digitalisierung und schlägt Maßnahmen vor, wie sich Deutschland und Europa durch Stärkung ihrer digitalen Souveränität behaupten und ihren eigenen Werten treu bleiben können. Diese Werteorientierung in der digitalen Welt wird vor allem bedeutsam bei Datentransfers in Drittstaaten. Die Modernisierung wird nur erfolgreich sein und die notwendige Akzeptanz und Akzeptabilität erreichen, wenn sie den Schutz von Privatheit und Selbstbestimmung sicherstellt. "Nur dann kann die vermehrte Nutzung von Daten mit ihrem Schutz vereinbart werden, kann der Umgang mit Forschungsdaten erleichtert und die Verarbeitung von Beschäftigtendaten neu geregelt werden", so Roßnagel.

Wie biometrische Überwachung und Social Scoring verhindert werden können

Anspruchsvolle Ziele verfolgt der Koalitionsvertrag auch hinsichtlich der Beschränkung von Überwachung und Stärkung des Freiheitsschutzes. Diese erfordern Maßnahmen, die Überwachungsinfrastrukturen so begrenzen, dass die notwendige Sicherheit von Einzelnen, Institutionen und Demokratie in einer Weise gewahrt werden kann, dass deren Freiheit keinen Schaden erleidet. Das Policy-Paper legt dar, wie eine praktikable Überwachungsgesamtrechnung etabliert werden kann, dass auf eine Vorratsdatenverarbeitung von Telekommunikationsdaten verzichtet werden sollte, welche Maßnahmen zur Beschränkung von Überwachungssoftware ergriffen werden sollten und wie biometrische Überwachung in der Öffentlichkeit und Social Scoring zu verhindern sind.

„Der Koalitionsvertrag enthält viele gute Ansätze, mit denen sich durch Digitalisierung und Datenschutz zusammen ein gesellschaftlicher Fortschritt erreichen lässt. Das Policy Paper ergänzt diese Ansätze: Es konkretisiert wichtige Ziele und macht Vorschläge für Umsetzungsmaßnahmen. Mit diesem konstruktiven Beitrag wollen wir Schritte aufzeigen, um Privatheit und Selbstbestimmung zu stärken und gleichzeitig gesellschaftlich fortschrittliche Innovationen hervorzubringen“, so Marit Hansen, Mitglied im Forum Privatheit und Landesbeauftragte für Datenschutz Schleswig-Holstein.

Im Forum Privatheit setzen sich Expert*innen aus wissenschaftlichen Institutionen interdisziplinär, kritisch und unabhängig mit Fragestellungen zum Schutz der Privatheit auseinander. Das Projekt wird vom Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung koordiniert. Weiterer Partner ist das Wissenschaftliche Zentrum für Informationstechnik-Gestaltung an der Universität Kassel. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) fördert das Forum Privatheit, um den öffentlichen Diskurs zu den Themen Privatheit und Datenschutz anzuregen.

 

Sprecher „Forum Privatheit“:
Prof. Dr. Alexander Roßnagel
Fachgebiet Öffentliches Recht
Universität Kassel
a.roßnagel@uni-kassel.de
Pressefoto Alexander Roßnagel

Mitglied „Forum Privatheit“:
Marit Hansen
Landesbeauftragte für Datenschutz Schleswig-Holstein
marit.hansen@datenschutzzentrum.de
https://www.datenschutzzentrum.de/presse/pressefotos-hansen/

Projektkoordination „Forum Privatheit“:
Dr. Michael Friedewald
Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung ISI
Competence Center Neue Technologien
michael.friedewald@isi-fraunhofer.de

Wissenschaftskommunikation „Forum Privatheit“:
Barbara Ferrarese, M.A.
Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung ISI
Competence Center Neue Technologien
+49 (0) 721 / 6809-678
barbara.ferrarese@isi.fraunhofer.de

„Forum Privatheit und selbstbestimmtes Leben in der digitalen Welt“
https://www.forum-privatheit.de/
Twitter: @ForumPrivatheit



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